Viele Wege, auf denen ein Ziel erreicht werden kann

Es gibt viele Initiativen und Modelle, die das Singen mit Kindern fördern wollen. Diese in den letzten Jahren erfreulich aufgeblühte Szene ist kaum mehr überschaubar. Auch ich halte nicht jede einzelne für sinnvoll, aber ich bin stolz darauf und dankbar dafür, dass ich an vielen unterschiedlichen mitwirken darf. Denn der (vielleicht auch etwas typisch deutsche) Streit um den allein selig machenden Weg verstellt den Blick darauf, was alles doch wirklich toll funktioniert und jeweils bemerkenswerte Ergebnisse liefert. Hier ein Beispiel aus Schwaben, das ich (wie der Film zeigt) von innen heraus kenne. Tja – und da überlegt man schon wieder: soll man das Video mit dem doch etwas zu brustigen Mozart jetzt posten oder nicht – was werden die Kollegen sagen? Ich jedenfalls weiß, dass im Rahmen dieses Modells großer Wert darauf gelegt wird, möglichst alles richtig zu machen. und wer einmal eine Marktoberdorfer Chorklasse gehört hat, weiß das auch.

LSKK und Chorklassen in Schwaben

Zugewandt, klar und konzentriert

singpause_003Herzlichkeit mit Stil – das ist der erste Eindruck schon bei der Begrüßung auf dem Flur der katholischen Grundschule Unter den Eichen in Düsseldorf-Gerresheim. Unser Gastgeber Bernhard Hüsgen führt uns an liebevoll gedeckte Tische im Computerraum und erzählt kurz, was wir heute der Reihe nach zu sehen bekommen. Um kurz vor 10:00 Uhr bittet er uns ruhig und höflich aber bestimmt, uns auf den Weg in die 3. Klasse zu machen. Pünktlich soll sie beginnen, die „Singpause“, und um 9:59 Uhr sitzen wir auf den kleinen Bänken im hinteren Teil des Raumes. Und dann beginnt ein fachlich wie menschlich eindrucksvoller Vormittag…

singpause_002Die Kinder wissen offensichtlich, dass wir kommen und wer kommt („… ein Professor… boah!“). Der Singpausenleiter hält sich aber nicht lange mit einer Begrüßung unserer kleinen Gruppe oder einer Erklärung auf – es geht sofort gesungen in Rufterzen in ein kollektives wie individuelles „Guten Morgen!“. Die einfache Rufterz dominiert, aber immer wieder wählen die Kinder auch eine Floskel, die an die Allerheiligenlitanei erinnert…; später wird aufgeklärt: das ist keine Absicht, das hat sich so ergeben. Vielleicht doch aus dem Umfeld der katholischen Grundschule heraus? Wer weiß…

singpause_003Jede Einheit dauert 20 Minuten, der Ablauf ist ritualisiert. Die Übungsformen wechseln rasch: Singen auf Solmisationssilben nach Stufenzahlen (sehr geschickt werden verschiedene Anordnungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden verwendet, nach geschriebenen Silben, bei den Größeren auch nach Noten. Wichtig und einer der Kernpunkte der Ward-Methode: alles wird körperlich nachvollzogen, nichts geschieht ohne Geste oder Bewegung. Die Rhythmus-Schrift der Methode ist gewöhnungsbedürftig, aber schlüssig und schnell nachvollziehbar; sie wird sofort auf die „Erwachsenennotenschrift“ übertragen. Bilder an der Tafel, vorgeschriebene Übungen… man ahnt, was da an Arbeit und Vorbereitung dahintersteckt.

singpause_004Lieder werden nur am Schluss gesungen. Und zwar an allen Düsseldorfer Singpausen-Grundschulen (61 von 80) die gleichen. So entsteht gemeinsames Repertoire, das bei den Zielpunkten – den Konzerten in der Tonhalle – dann ein grandioses Gemeinschaftsgefühl gewährleistet. „Social Proof“ nenn man das, wer dazugehören will, muss mitsingen.

singpause_005Sicher (meine Vermutung) arbeiten nicht alle Singpausen-Lehrkräfte so bestechend gut wie Bernhard Hüsgen. Präsent, zugewandt, klar, humorvoll und ernst – vor allem nimmt er die Kinder sehr ernst und in der Folge sie ihn. In den Einheiten steckt ein hohes Maß an Disziplin, es wird richtig gearbeitet. Für manchen mag das zu „old-fashioned“, zu frontal, beinahe zu militärisch aussehen – und diese Kritik hört man ja immer wieder. Aber, Leute: Di 8.3.2016 bin ich in dieser m.E. perfekten Umsetzung zum absoluten Fan dieses Projektes geworden! Auch weiterhin bleibt es dabei: nicht alles ist auf überall übertragbar, und vor allem kann nicht jeder Typ das gleiche System gleich gut umsetzen. Aber so ist ein stimmig und ein Segen noch für Generationen in Düsseldorf!

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