Der Gong tönt dreimal und die 94 Kinder der Grundschule Deuerling strömen vom Pausenhof zurück in ihre Klassenräume. „Herr Göstl!“ ruft die kleine M. aus der 1. Klasse durch den ganzen Flur und stürmt auf mich zu. Sie will mir um den Hals fallen, aber weil der zu weit oben ist, wird’s eben der Bauch; ich versuche behutsam, das Bedürfnis nach Nähe etwas im Zaum zu halten (meinen männlichen Studierenden rate ich immer, das sehr auf Distanz zu halten, damit sie nicht in ein falsches Licht geraten – mit meinen 46 und als zweifacher Familienvater sehe ich es lächelnd gelassen, bin ja eher schon der Opa). Die Hälfte der 1. Klasse tut es M. nach und weil die daneben stehende Kollegin einfach nur freundlich lacht, beschließe ich: das ist alles so in Ordnung!
Die Zusammenarbeit zwischen der örtlichen Grundschule und mir als Chorleiter läuft blendend. Das ist ein Grund dafür, dass im 2000-Seelen-Ort mit der beschrieben kleinen Schule nun fast 50 Kinder im Kinderchor singen. Kooperation hängt immer auch stark von den handelnden Personen ab und mit der Rektorin Frau Amann und ihrem Team habe ich einfach tolle Partner.
Was macht eine Kooperation stark?
Zunächst meiner Meinung nach das gegenseitige Wahrnehmen und Anerkennen von Engagement und Können. Wer alles besser weiß oder wer auch nur ansatzweise Geringschätzung ausstrahlt, wird als Partner kaum willkommen sein. Ich finde toll, was an dieser Schule passiert und ich sage das auch laut; die Kolleginnen spüren, dass ich es ernst meine.
Dann gedeiht Partnerschaft immer dort, wo man dem anderen gibt, was er braucht. Klingt banal, ist aber selten der Fall. Wenn ich als Musiker mich der Schulleitung von vorneherein mit der Absicht nähere, Kinder für meinen Chor zu gewinnen, ist das eine völlig andere Sache, als wenn ich frage: „Was braucht ihr? Wie kann ich euch helfen?“. Aus dieser Frage heraus ist entstanden, dass ich nun zum dritten Mal für Schulfeiern mit den Kindern in der Unterrichtszeit Lieder einstudiert habe, gerne auch zu Zeiten, wenn Lehrkräfte krank und Not an der Frau war. Auch wird dankbar angenommen, wenn man sich ganz bescheiden einfach ans Klavier setzt und bei der Verabschiedung der 4. Klasse das von den Lehrkräften einstudierte Lied begleitet.
Es gibt noch viele Punkte mehr, einen dritten jedoch will ich hier noch nennen: Partnerschaft braucht Verlässlichkeit und Rücksicht auf die Gegebenheiten. Termine rechtzeitig absprechen, anrufen zu Zeiten, in denen ein Telefonat in Ruhe angenommen werden kann, Probenzeiten auf Schulstunden abstimmen und einrechnen, dass Wege vom und zum Klassenzimmer zurückgelegt werden müssen, sich mit räumlichen Voraussetzungen arrangieren, auch wenn es nicht ideal ist – das und vieles mehr kann man aktiv beitragen und es wird einem dankbar vergolten.
Meine Mittwochsgruppe im Kinderchor war Anfang des Schuljahres nur 4 Kinder „groß“, jetzt sind es 9 (Steigerungsrate: 125%). Die Jungs und Mädels der 1. Klasse haben den mehrmaligen Kontakt mit mir gebraucht, um sich zum Schnuppern zu entscheiden. Und Kinder wie Eltern spüren: der Chorleiter hat das Vertrauen vieler Kinder und vieler Familien. Kein Plakat und kein Flyer der Welt, keine Website und kein Facebook können das toppen.
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