Traum jedes Chorleiters: Sänger, die lesen können!

Es war in Wolfenbüttel in den 90er Jahren. Ich hatte an der Bundesakademie den legendären Kurs „Praxis der chorischen Stimmbildung“ bei Kurt Hofbauer gebucht und bin noch heute dankbar für die unzähligen Impulse, die ich von ihm bekommen habe. Das „Abendprogramm“ hatte ich in der Ausschreibung gar nicht richtig wahrgenommen und ging dann auch ein klein wenig genervt und eher skeptisch durch die abendlich-trübe, ausgestorbene Innenstadt von Wolfenbüttel ins Schloss zu Karl Heinz Schmitt, beinahe mehr aus Höflichkeit. Nach wenigen Minuten war klar, dass ich das nicht zu bereuen brauchte. Denn alleine der Unterhaltungswert dieser Veranstaltung in freundlich-zugewandter, dabei aber augenzwinkernd-ironischer Art hätte für die investierte Zeit entschädigt. Nach weiteren 20 Minuten jedoch war auch klar: dieser Mann ist hoch kompetent und weiß bei aller Lockerheit ganz genau, wie er zielgerichtet und mit Spaß klar strukturierte Inhalte vermitteln kann.

Es geht bei „Singen nach Noten“ (Schott ED 7396 und ED 7804) nicht nur um stupides Blattsingtraining. Am besten zitiere ich hier die ersten Worte der Einleitung zum Band 1 – besser kann man es nicht sagen:

2016-02-11 10.36.26„Das Lehrwerk „Singen nach Noten“ soll eine praktische Musiklehre sein und den Chorsänger in den Stand setzen, mit den Notenzeichen so umzugehen, wie er es einst mit den Schriftzeichen gelernt hat; er soll musikalisch lesen lernen und dabei sein Gehör entwickeln. Zugleich soll er aber auch den Wissensstoff erwerben und den Einblick in musikalische Zusammenhänge gewinnen, die in ihrem Zusammenwirken zu den Voraussetzungen für ein sinnvolles Musizieren gehören. Dabei muss ein wichtiger Grundsatz beobachtet werden: die Musiklehre ist eine Handwerkslehre; Können und Wissen sollen beim Musizierenden stets auf gleicher Augenhöhe gehalten werden.  … Der Chorleiter soll sich also davor hüten, zu viel zu reden, jede Einzelheit aus seiner eigenen umfassenden Schau darzustellen und sein ganzes persönliches Wissen auszubreiten. Wo dies geschieht, geht wertvolle Übungszeit verloren und es entsteht sehr bald ein Missverhältnis zwischen Wissen und Können, das der Musikausübung durchaus abträglich ist. Die Angesprochenen finden den Unterricht in solchen Fällen meist sehr „interessant“, können aber im Endeffekt zu wenig und werden dann wohl auch selbst zu jenen dem Musikleben so schädlichen Typen, die Handwerk durch Mundwerk ersetzen. …“

Eine umfassende Musiklehre also ist es, orientiert stets an dem, was die Chorpraxis braucht und was nach Verstehen auch angewendet werden kann. Wenn ich mich jetzt wieder auf den Kurs am Samstag in Deuerling (Anmeldungen siehe „Veranstaltungen“ auf dieser Seite noch möglich) vorbereite, stellt sich sofort wieder die Faszination für diese Methode ein. Die Erklärungen und Handlungsanweisungen sind so klar und von soviel Erfahrung geprägt, dass man unmittelbar in die Umsetzung einsteigen kann. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass ich Karl Heinz Schmitt selber zweimal erleben dufte; wie so oft übersteigt das lebendige Vorbild die Wirkung eines auch noch so guten Buches.

Ich habe mich gerade entschlossen, diesmal die Systematik mit der Kodalý-Rhythmussprache zu verbinden. So erhoffe ich mir eine Verbindung zu den Kenntnissen, die meine Kinderchor-Ehemaligen noch durch die Kölner Chorschule haben; außerdem wird diese Rhythmussprache meiner Erfahrung nach an Klarheit und Plausibilität von keiner anderen erreicht.

Ob die zwei Studierenden, die vor ein paar Jahren unter der Überschrift „Lernen durch Lehren“ an der HfMT Köln einen Kurs für Studierende hierzu angeboten haben, dies hier lesen und sich erinnern? Eine meine nicht nur sehr heiteren sondern auch sehr guten Erfahrungen als Hochschullehrer! Und man hat gesehen, dass Vermittlungskompetenz nicht angeboren sondern in vielen Punkten lehr- und erlernbar ist. Handwerk eben.

Aschermittwoch – Orgeldienst in der Gemeinde

Gerade in letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, was von dem vielen, das ich tue, ich nicht verlieren möchte, wenn z.B. Krankheit oder andere Umstände mich zwingen würden, mich beruflich stark einzuschränken. Für mich selbst erstaunlich und verblüffend war, dass die Antwort sofort und dauerhaft völlig klar war: den kleinen, feinen Orgeldienst, die Gestaltung der Liturgie in meiner Heimatgemeinde würde ich niemals missen wollen. Weder bringt dieser so viel Anerkennung noch so viel Geld ein wie meine anderen Tätigkeiten, aber an der Orgel komme ich zu innerer Ruhe und aus der Liturgie schöpfe ich Kraft für alles andere.

Das Kirchenjahr bietet einige Chancen zum Neuanfang. Jeder Mensch braucht diese Chancen, so oft werden sie einem nicht zugestanden. Ich freue mich sehr auf heute 18:30 Uhr, den Einstieg in die österliche Bußzeit oder „Fastenzeit“, gemeinsam mit denen, die das leben wollen. Auch bei uns werden es weniger, aber sie kommen und sie singen. Dass sie das weiter wollen und können, dazu verrichte ich meinen Dienst.

Hier der Liedplan zum heutigen Gottesdienst in St. Martin/Deuerling – als Anregung oder auch zum Bearbeiten und/oder Ausdrucken:

aschermittwoch C – 10-2-2016 rg